Ein Leben für die Opferhilfe

von Frie­de­rike Prinz-Dannenberg

Sa­bine Hart­wig ist seit 18 Jah­ren Lan­des­vor­sit­zende des Weis­sen Rings in Ber­lin und kennt beide Sei­ten ei­nes kri­mi­nel­len De­likts: Als Kri­mi­nal­be­am­tin hat sie sich in der ers­ten Hälfte ih­res Le­bens be­ruf­lich mit den Täter:innen be­schäf­tigt – in­zwi­schen sind es die Op­fer, die un­ter ih­rem Schutz stehen.

Ziel des 1976 von Edu­ard Zim­mer­mann ge­grün­de­ten Ver­eins ist es, den Op­fern von Straf­ta­ten recht­lich und so­zial bei­zu­ste­hen, ihre An­sprü­che zu ver­tre­ten und ih­nen Hilfe zur Selbst­hilfe zu ver­mit­teln – aber auch Straf­ta­ten zu ver­hü­ten. Ob­wohl im Laufe der Jahr­zehnte die Op­fer und de­ren Hin­ter­blie­bene durch das Op­fer­ent­schä­di­gungs­ge­setz von 1976 mehr Rechte er­hal­ten ha­ben, be­fin­det sich je­des Op­fer nach ei­ner Tat in ei­ner exis­ten­ti­el­len Be­dro­hung, in ei­ner Le­bens­krise, ist ge­stresst, hat Angst und weiß meist zu we­nig über seine Rechte Bescheid.

Hier nun setzt der Weisse Ring an, der deutsch­land­weit 18 Lan­des­ver­tre­tun­gen und 2900 eh­ren­amt­lich Mit­ar­bei­tende um­fasst: Er geht von der Un­schuld (= weiß) des Op­fers aus, ge­währt ihm So­li­da­ri­tät (= Ring) und ar­bei­tet ge­mein­sam mit ihm an ei­ner Lö­sung. Die dem Op­fer ge­währte Un­ter­stüt­zung kann je nach Fall ma­te­ri­elle Hilfe be­deu­ten, z.B. die fi­nan­zi­elle So­fort­hilfe bei Dieb­stahl oder Ein­bruch. Je­doch ist hier keine Er­stat­tung des Ge­stoh­le­nen ge­meint, son­dern eher eine Notüberbrückung.

Die im­ma­te­ri­elle Hilfe wird von Expert:innen der Psy­cho­lo­gie, Jura (psy­cho­lo­gi­sche Auf­ar­bei­tung von Trau­mata, Ver­tre­tung durch Op­fer­an­wälte) und Eh­ren­amt­li­chen ge­leis­tet. Letz­tere durch­lau­fen in Theo­rie und Pra­xis eine Schu­lung, in­dem sie ver­pflich­tend Se­mi­nare auch in der ei­ge­nen Aka­de­mie be­su­chen und hos­pi­tie­ren. Auf­grund der viel­fäl­ti­gen Be­rufs­fel­der der Eh­ren­amt­li­chen (Me­di­zin, Lehr­amt, Po­li­zei, Stu­die­rende u.v.m.) ist auch die Sicht­weise in den Be­spre­chun­gen der Mitarbeiter:innen auf je­den ein­zel­nen Fall kom­plex, ver­net­zend und stellt für das Op­fer ei­nen gro­ßen Er­fah­rungs­schatz dar.

In Ber­lin gibt es 13 Au­ßen­stel­len und 135 eh­ren­amt­lich Mit­ar­bei­tende, die sich um die 850 Fälle pro Jahr küm­mern. Die Erst­in­itia­tive geht im­mer vom Op­fer aus, das sich an den Weis­sen Ring wen­det. Aus dem an­fäng­li­chen Ra­che­ge­dan­ken nach der Tat wird Trauer und es ent­steht schließ­lich der Wunsch nach Ge­rech­tig­keit. Der Au­ßen­stel­len­lei­ter ver­mit­telt nach dem ers­ten Ge­spräch den Kon­takt zu Eh­ren­amt­li­chen, die mit dem Op­fer Hilfs­mög­lich­kei­ten ent­wi­ckelt. Dies kann te­le­fo­nisch, on­line und per­sön­lich ge­sche­hen. Die Eh­ren­amt­li­chen wis­sen, wie un­ter­schied­lich die Tä­ter bei Stal­king, häus­li­cher Ge­walt, Kin­des­miss­brauch oder Cy­bermob­bing vor­ge­hen. Ihre Be­glei­tung kann je nach Schwere des Fal­les bis zu meh­re­ren Jah­ren dau­ern. Die Eh­ren­amt­li­chen hö­ren zu, un­ter­stüt­zen die Op­fer beim Gang durch die Be­hör­den, be­glei­ten sie zu Ter­mi­nen und stär­ken ihr Selbst­wert­ge­fühl. Der Ver­ein fi­nan­ziert sich über die Mit­glieds­bei­träge, über Spen­den, Nach­lässe und Geldbußen.

Ein Wunsch von Sa­bine Hart­wig ist es, dass sie sich in der zwei­ten Hälfte ih­res Le­bens eh­ren­amt­lich für die Kri­mi­na­li­täts­op­fer en­ga­gie­ren und da­mit für sich per­sön­lich ei­nen Aus­gleich zwi­schen Tä­tern und Op­fern her­stel­len kann, und dass sich die Op­fer un­ter dem Dach des Weis­sen Rings wei­ter­hin gut auf­ge­ho­ben fühlen!

Bei wei­te­ren Fra­gen: www.weisser-ring.de, Tel.: 116 006, tgl. von 7 bis 22 Uhr, Lan­des­ver­band Ber­lin, Tel.: 030/833 70 60.

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LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Blog­bei­trag von Frie­de­rike Prinz-Dannenberg
zu­letzt über­ar­bei­tet 20.10.2020

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