Herr Doktor, lassen Sie mich gehen!“

Die 17. Fach­ta­gung Pal­lia­tive Ger­ia­trie Ber­lin am 14. Ok­to­ber 2022 dis­ku­tierte über das Thema „Wenn alte Men­schen ster­ben wollen“ 

von Eve­line Harder

 

Die Fach­ta­gung, ge­lei­tet von Dirk Mül­ler, MAS Pal­lia­tiv Care, fand wie­der im Kon­rad-Ade­nauer-Haus im Tier­gar­ten statt. Ca. 300 Per­so­nen wa­ren an­we­send, wei­tere Teilnehmer:innen per Vi­deo zu­ge­schal­tet. Wie im­mer gab es ein reich­hal­ti­ges Pro­gramm mit vie­len in­ter­es­san­ten und be­we­gen­den Vor­trä­gen und Ses­sio­nen. Dirk Mül­ler be­gann mit der Aus­sage: „Was kei­ner über­steht, ist das Le­ben. Und was bleibt?“ Ein Ver­ständ­nis da­für zu ent­wi­ckeln vom Le­ben und Ge­hen­las­sen und wie dann um­ge­hen mit der Leere. Je­der dritte Deut­sche würde den Sui­zid vor­zie­hen an­statt ins Pfle­ge­heim zu ge­hen. Wenn alte Men­schen le­bens­müde sind, ver­stär­ken sich die Sui­zid­ge­dan­ken. Hier gilt es in der Pal­lia­ti­ven Ger­ia­trie, die Pa­ti­en­ten zu be­treuen, zu be­glei­ten und ih­nen die Ängste bei as­sis­tier­ten Sui­zid zu nehmen.

Das Gruß­wort von Ma­rina Ko­jer, der Eh­ren­vor­sit­zen­den der Fach­ge­sell­schaft, sie wurde per Vi­deo aus Wien zu­ge­schal­tet, war sehr be­rüh­rend. Be­rich­tete sie doch aus ih­rem All­tag als Hoch­alt­rige, über das Nach­las­sen der Kräfte, über Ab­hän­gig­kei­ten und über die Un­bil­len des täg­li­chen Lebens.

Pro­fes­sor Dr. Ralf Jox aus Lau­sanne sprach über „Ster­be­wün­sche in der Pal­lia­ti­ven Ger­ia­trie. Wo und wie be­geg­net uns die­ses Thema“. Er er­läu­terte an ei­ni­gen Fach­bei­spie­len Ster­be­wün­sche in der Pal­lia­ti­ven Ger­ia­trie. Pa­ti­en­ten sind zum Bei­spiel Mit­glied bei EXiT oder Di­gi­tas, um die Mög­lich­keit des Sui­zids zu er­hal­ten. Nicht im­mer be­deu­tet aber eine sol­che Mit­glied­schaft, dass da­von Ge­brauch ge­macht wird. Es kommt auf die je­wei­lige ge­sund­heit­li­che Ver­fas­sung und Ge­müts­lage an. Ver­stärkt wer­den diese To­des­ge­dan­ken durch Al­lein­sein, keine An­ge­hö­ri­gen und keine Freunde mehr und ge­sund­heit­li­che Be­schwer­den al­ler Art. Er schloss mit dem Text des Rein­hard-May-Lie­des: „Lass nun ru­hig los das Ruder …“.

Dr. Ro­land Kunz aus Zü­rich hatte das Thema „Wie kann ein wür­de­vol­les und selbst­be­stimm­tes Le­ben und Ster­ben al­ter und hoch­be­tag­ter Men­schen bis zu­letzt ge­si­chert wer­den“. Er ver­las ei­nen Text ei­ner 87-jäh­ri­gen Pa­ti­en­tin: „Ich bin wie eine Rose im Gar­ten, die stän­dig Blät­ter ver­liert und ir­gend­wann bleibt nur noch der Stiel ste­hen, der schließ­lich ab­bricht und das ist auch gut so.“ Hier stellt sich nun die Frage, was kann die Pal­lia­tive Ger­ia­trie im Um­gang mit Ster­be­wün­schen tun? Es bie­ten sich Ge­spräch- bzw. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reit­schaft, das Aus­ein­an­der­set­zen mit der ei­ge­nen End­lich­keit so­wie die Be­rück­sich­ti­gung des To­tal Pain Kon­zepts an. Die Ge­wiss­heit, am Ende selbst ent­schei­den zu dür­fen, könnte ne­ben der Schmerz­lin­de­rung ein Fak­tor sein, der den Pa­ti­en­ten die Angst vor dem Ster­ben nimmt.

Pas­send dazu ab­schlie­ßend ein Ge­dicht von Her­mann Hesse: „Ein­schla­fen dür­fen, wenn man müde ist, und eine Last fal­len las­sen, die man schon lange ge­tra­gen hat, das ist eine wun­der­bare Sache“.

Der Ge­dan­ken­aus­tausch in den Pau­sen gab noch ein­mal die Mög­lich­keit, sich mit der The­ma­tik auszutauschen.

Eve­line Har­der, Fo­tos: Clau­dia Pfister

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zu­letzt über­ar­bei­tet 30.10.2022

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