Das Netzwerk wächst / Nachdenken über Ausgrenzung

Im­pres­sio­nen von der Mit­glie­der­ver­samm­lung des Lan­des­netz­werks Bür­ger­en­ga­ge­ment am 21. Au­gust 2019

Von Hel­mut Herold

 

Fo­tos: Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin | Ra­him Shirmahd

Das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin wächst wei­ter: Der Ver­ein Kul­tur­Le­ben Ber­lin – Schlüs­sel zur Kul­tur (https://kulturleben.mediaring.org/) und der Ver­ein Stras­sen­fe­ger (https://strassenfeger.org/) wur­den als neue Mit­glie­der be­grüßt. So­mit hat das Lan­des­netz­werk jetzt 84 Mit­glie­der (http://www.aktiv-in-berlin.info/mitglieder/).

Die Bot­schaft, die Pro­fes­so­rin Dr. Chan­tal Munsch von der Uni Sie­gen mit ih­rem Im­puls­vor­trag ver­mit­telte, war nicht leicht zu ver­dauen. „En­ga­ge­ment kann aus­gren­zen – Hür­den für Be­tei­li­gung im En­ga­ge­ment“. Wie kann das sein, habe ver­mut­lich nicht nur ich mich ge­fragt. Wir gren­zen doch nie­man­den aus. Im Ge­gen­teil. Wir wol­len mög­lichst viele Men­schen für das bür­ger­schaft­li­che En­ga­ge­ment ge­win­nen. Doch Pro­fes­so­rin Munsch zeigte auf, dass das nicht im­mer gelingt.

Am Bei­spiel ei­ner Ar­beits­gruppe zur Vor­be­rei­tung ei­nes Stadt­teil­fes­tes, die sie wis­sen­schaft­lich be­glei­tet hatte, konnte sie nach­wei­sen, dass be­nach­tei­ligte Men­schen (z.B. er­werbs­los, ge­ringe Bil­dung) vom bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ment aus­ge­grenzt wer­den. Das liegt aber nicht daran, dass sie pas­siv, des­in­ter­es­siert oder faul wä­ren. Ent­schei­dend war die Art und Weise, wie die an­de­ren (mit En­ga­ge­ment-Er­fah­rung) mit­ein­an­der kom­mu­ni­zier­ten. Man hatte be­wusst auch Er­werbs­lose zur Mit­ar­beit in die Ar­beits­gruppe zu Vor­be­rei­tung des Stadt­teil­fes­tes ein­ge­la­den. Doch die fühl­ten sich er­kenn­bar nicht wohl und ka­men nicht wie­der. Warum? „Zu viele große Ideen und Pläne ma­chen kleine Leute still“, so Chan­tal Munsch. En­ga­ge­ment grenze aus, „aber wir se­hen es nicht. Denn kei­ner will be­wusst ausgrenzen.“

Auch ich musste erst mal schlu­cken an­ge­sichts die­ser Er­kennt­nisse. In­zwi­schen sehe ich es nicht mehr ganz so dra­ma­tisch. Denn ers­tens lau­tete der Vor­trag „En­ga­ge­ment kann aus­gren­zen“, es muss also nicht im­mer und zwangs­läu­fig pas­sie­ren. Und zwei­tens stam­men die Er­kennt­nisse aus ei­ner ganz spe­zi­el­len Form des En­ga­ge­ments: ei­ner Ar­beits­gruppe zur Vor­be­rei­tung ei­nes Stadteil­fes­test. Mein Fa­zit: Je mehr es um Pläne, Kon­zep­tio­nen und Ab­läufe geht, um so grö­ßer ist die Ge­fahr, dass Men­schen aus­ge­grenzt wer­den. Bei kon­kre­tem En­ga­ge­ment vor Ort für ein ganz kon­kre­tes Ziel ist die Ge­fahr eher gering.

Den­noch fand ich den Vor­trag be­mer­kens­wert. Denn an die Mög­lich­keit der Aus­gren­zung hatte ich bis­lang nicht ge­dacht – und wie mir schien, viele an­dere Teil­neh­mer der Mit­glie­der­ver­samm­lung auch nicht. Und das war der Re­fe­ren­tin wich­tig: zu er­ken­nen, dass es Aus­gren­zungs­me­cha­nis­men gibt. Erst dann kann man über­le­gen, wie sich Aus­gren­zung re­du­zie­ren oder ver­mei­den lässt. In­dem man zum Bei­spiel fol­gende Fra­gen be­ant­wor­tet: Wo soll man sich tref­fen? Wie wird ein­ge­la­den? Wel­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Mo­de­ra­ti­ons­for­men sind die bes­ten? Ist Of­fen­heit und Trans­pa­renz im­mer und für alle ge­ge­ben? Sollte man un­ter­schied­li­che Grup­pen bil­den, in de­nen sich die Teil­neh­mer bes­ser ver­ste­hen, und die Er­geb­nisse an­schlie­ßend zusammenführen?

Aus­gren­zung beim bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ment ist nicht schön. Aber man sollte auch über­le­gen, wie viel En­er­gie man auf­brin­gen will (oder kann), um sie auf­zu­bre­chen. „Par­ti­zi­pa­tion ist nicht für alle Men­schen selbst­ver­ständ­lich“, so Chan­tal Munsch. „Sie ist bio­gra­fisch und le­bens­welt­lich ge­prägt.“ Oder wie es ein Teil­neh­mer for­mu­lierte: „Frei­wil­li­ges En­ga­ge­ment ist kein Muss.“

Für ihr nächs­tes For­schungs­pro­jekt sucht Pro­fes­so­rin Dr. Chan­tal Munsch noch Men­schen, die sich en­ga­giert hat­ten und die­ses En­ga­ge­ment in­zwi­schen auf­ge­ge­ben ha­ben, und zwar auch den Be­rei­chen Kir­che, Sport und Um­welt. Wer sich als In­ter­view­part­ner zur Ver­fü­gung stel­len möchte, schreibt eine Mail an chan­tal. munsch (at) uni-siegen.de.

An­schlie­ßend in­for­mierte Pe­ter Wa­gen­knecht von der Frei­wil­li­genagen­tur os­kar in Lich­ten­berg (https://oskar.berlin/) über das Pro­jekt „Gut, dass Du da bist“. Da­bei geht es um so­ziale In­te­gra­tion durch frei­wil­li­ges En­ga­ge­ment in Ho­hen­schön­hau­sen: www.efg-berlin.eu.

Annja Wein­ber­ger stellte das Pro­jekt „Eh­ren­amt für Per­spek­tive“ der Ber­li­ner Stadt­mis­sion vor: https://www.berliner-stadtmission.de/fluechtlinge/ehrenamt-fuer-perspektive. 140 Men­schen mit Flucht­er­fah­rung konn­ten bis­lang ver­mit­telt werden.

Frie­de­mann Walt­her, Re­fe­rats­lei­ter Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­ment und De­mo­kra­tie­för­de­rung in der Ber­li­ner Se­nats­kanz­lei, gab be­kannt, dass bei den Haus­halts­be­ra­tun­gen für die In­fra­struk­tur­för­de­run­gen 1,2 Mil­lio­nen Euro pro Jahr be­reit­ge­stellt wer­den sol­len. Auch für ei­nen De­mo­kra­tietag soll Geld ein­ge­plant wer­den. Au­ßer­dem soll es im kom­men­den Jahr fünf Fo­ren ge­ben zu den The­men, die der Zi­vil­ge­sell­schaft wich­tig sind.

Zum Schluss wur­den noch ei­nige Ter­mine be­kannt­ge­ge­ben: Die nächste Mit­glie­der­ver­samm­lung des Lan­des­netz­werks Bür­ger­en­ga­ge­ment fin­det am 13. No­vem­ber statt. Am 15. No­vem­ber gibt es den Ber­li­ner Stif­tungs­tag (https://www.berlin.de/buergeraktiv/engagieren/stiftungen/stiftungstag/). Am 10 Sep­tem­ber gibt es wie­der ei­nen Run­den Tisch Zi­vil­ge­sell­schaft. Und am 16. Sep­tem­ber star­tet der erste Ver­eins­tag der Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur zum Thema “Kom­mu­ni­ka­tion und Teil­habe – die tra­gen­den Säu­len in Ver­ei­nen”.

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LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Blog­bei­trag von Hel­mut Herold
zu­letzt über­ar­bei­tet 29.08.2019

 

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