Neue Chancen und neue Herausforderungen

Zwei The­men be­stimm­ten die 59. Mit­glie­der­ver­samm­lung des Lan­des­netz­werks Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin am 9. März, die er­neut (aber hof­fent­lich das letzte Mal) als Vi­deo­kon­fe­renz statt­fand: die Um­set­zung der Ber­li­ner En­ga­ge­ment­stra­te­gie so­wie die an­ge­lau­fene Hilfe für die Flücht­linge aus der Ukraine.

von Hel­mut Herold

 

Ja, die Fas­sungs­lo­sig­keit war noch zu spü­ren un­ter den Teilnehmer:innen der Mit­glie­der­ver­samm­lung über  das Leid der Men­schen. Aber auch die Ent­schlos­sen­heit, so wie 2015 den zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ein­satz zu or­ga­ni­sie­ren und zu hel­fen, wo im­mer es nö­tig ist. So be­rich­tete Dag­mar Wehle vom So­zi­al­ver­band VdK über das Pro­jekt „sei:dabei“, das Men­schen mit Flucht­er­fah­rung und ei­ner Be­hin­de­rung un­ter­stützt. Um wirk­sam hel­fen zu kön­nen, seien Struk­tu­ren wich­ti­ger als Spon­ta­ni­tät, so Dag­mar Wehle. Da­niel Bü­chel vom Uni­onhilfs­werk ver­wies auf die Er­klä­rung des Sprecher:innerates des Lan­des­netz­werks Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin vom 3. März, in dem die Berliner:innen auf­ge­ru­fen wer­den, den Men­schen in der Ukraine hu­ma­ni­tär zu hel­fen. In die­sem Punkt sieht sich das Lan­des­netz­werk in der Pflicht, al­les Er­denk­li­che zu tun, um selbst zu hel­fen und Hilfe zu or­ga­ni­sie­ren. Tom Ne­hiba vom Schwu­len Mu­seum in­for­mierte über das Bünd­nis Queere Not­hilfe Ukraine. Und Marc D. Lud­wig vom För­der­ver­ein Zi­vil­ge­sell­schafts­for­schung kri­ti­sierte die un­zu­rei­chende staat­li­che Ko­or­di­nie­rung der Ak­ti­vi­tä­ten beim Emp­fang ukrai­ni­scher Kriegs­flücht­linge auf dem Haupt­bahn­hof Ber­lin, wo zu­nächst fast aus­schließ­lich Eh­ren­amt­li­che im Ein­satz waren.

Fest steht:  Die Ukraine-Hilfe wird  eine große Her­aus­for­de­rung für das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin und seine Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen sein. Ein Pro­jekt, das auf diese zu­künf­ti­gen An­for­de­run­gen ver­weist, hat die Zeit­Zeu­gen­Börse ge­star­tet. Da­bei sol­len „Zeitzeug:innen mit Mi­gra­ti­ons­ge­schich­ten“ zu Wort kom­men. Zwar geht es zu­nächst um Men­schen, die zwi­schen den 1960er und 1990er Jah­ren nach Ber­lin ka­men, aber es ist si­cher auch not­wen­dig, die Schick­sale und Er­fah­run­gen je­ner Men­schen zu er­fas­sen und an­de­ren zu­gäng­lich zu ma­chen, die 2015 und 2022 zu uns ka­men und noch kommen.
Und fest steht auch: Das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin scheint auf die neuen Her­aus­for­de­run­gen gut vor­be­rei­tet zu sein. Denn mit der in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ge­mein­sam mit Se­nat und Ab­ge­ord­ne­ten­haus ent­wi­ckel­ten Ber­li­ner En­ga­ge­ment­stra­te­gie er­ge­ben sich auch grö­ßere Chan­cen, alte und neue Her­aus­for­de­run­gen an die Zi­vil­ge­sell­schaft noch bes­ser zu be­wäl­ti­gen. So hat es be­reits Ge­sprä­che mit Ana-Ma­ria Trăs­nea ge­ge­ben, der neuen Staats­se­kre­tä­rin für Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­ment, und mit Frie­de­mann Walt­her, Re­fe­rats­lei­ter Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­ment und De­mo­kra­tie­för­de­rung bei der Se­nats­kanz­lei. Darin ging es um die Frage, wie das Lan­des­netz­werk künf­tig auf­ge­stellt sein muss, um noch wirk­sa­mer als Mo­tor und Ko­or­di­na­tor von frei­wil­li­gem En­ga­ge­ment wir­ken zu kön­nen. Dazu soll das Lan­des­netz­werk in eine ver­läss­li­che För­der­struk­tur auf­ge­nom­men wer­den. Das Pro­blem da­bei: Noch hat das Land Ber­lin kei­nen be­stä­tig­ten Haus­halt. Doch wie Frie­de­mann Walt­her in der Mit­glie­der­ver­samm­lung ver­si­cherte, wird es ei­nen Ent­wick­lungs­pro­zess mit ei­ner fi­nan­zi­el­len Über­brü­ckung von der Deut­schen Stif­tung für En­ga­ge­ment und Eh­ren­amt ge­ben. Auch im Aus­schuss für Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­mentdes Ab­ge­ord­ne­ten­hause ist die Ber­li­ner En­ga­ge­ment­stra­te­gie zum ent­schei­den­den Be­zugs­punkt ge­wor­den, wie die Ab­ge­ord­nete Dunja Wolff sagte.

Also: Ab­war­ten und Tee trin­ken? Auf kei­nen Fall. Eher: In die Hände spu­cken und los­le­gen. Denn die nächs­ten Ak­ti­vi­tä­ten müs­sen vor­be­rei­tet wer­den. Zum Bei­spiel die 15. Ber­li­ner Frei­wil­li­gen­börse. Nach zwei Jah­ren als reine On­line­ver­an­stal­tung soll die Börse in die­sem Jahr so­wohl on­line als auch in Prä­senz statt­fin­den. So sol­len alle Aus­stel­ler im Netz prä­sen­tiert wer­den, zu­gleich aber sol­len sich ei­nige von ih­nen de­zen­tral an drei Or­ten in Ber­lin vor­stel­len kön­nen. Denk­bar seien kleine Grup­pen von bis zu 20 Aus­stel­lern zum Bei­spiel in Ein­kaufs­zen­tren. Die Orte wer­den noch ge­sucht, wie die Ge­schäfts­füh­re­rin der Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin, Ca­rola Schaaf-De­richs, sagte. Das Ganze könne in der Zeit von Juli bis Sep­tem­ber statt­fin­den und da­bei The­men wie Ju­gend, Nach­hal­tig­keit, Klima und Ukraine-Hilfe auf­grei­fen. Viel­leicht ist auf der Börse auch das jüngste Mit­glied des Lan­des­netz­werks mit da­bei, der Ver­ein Yeşil Çem­ber (tür­kisch für Grü­ner Kreis), der seit zehn Jah­ren tür­kisch­spra­chige Men­schen in Deutsch­land für Um­welt­the­men sen­si­bi­li­siert und aktiviert.

Und dann steht ja noch die 60. Mit­glie­der­ver­samm­lung des Lan­des­netz­werks Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin am 15. Juni an, die dann hof­fent­lich wie­der ana­log statt­fin­det. Zeit wird’s. Denn ei­nes ha­ben wir alle in den zu­rück­lie­gen­den zwei Jah­ren fest­ge­stellt: Vi­deo­platt­for­men ha­ben uns ge­hol­fen, in Kon­takt zu blei­ben, uns aus­zu­tau­schen und un­sere Ar­beit fort­zu­set­zen. Aber sie er­lau­ben nur di­gi­ta­les Ple­num. Was fehlt, sind die Plau­de­reien und der zwang­lose Aus­tausch, das Er­le­ben der Nähe und das da­mit ver­bun­dene Gemeinschaftsgefühl.

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LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Blog­bei­trag von Hel­mut Herold
zu­letzt über­ar­bei­tet 21.03.2022

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