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Das Netzwerk wächst / Nachdenken über Ausgrenzung

Veröffentlicht am 28.08.2019

Impressionen von der Mitgliederversammlung des Landesnetzwerks Bürgerengagement am 21. August 2019

Von Helmut Herold

 

Fotos: Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin | Rahim Shirmahd

Das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin wächst weiter: Der Verein KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur (https://kulturleben.mediaring.org/) und der Verein Strassenfeger (https://strassenfeger.org/) wurden als neue Mitglieder begrüßt. Somit hat das Landesnetzwerk jetzt 84 Mitglieder (http://www.aktiv-in-berlin.info/mitglieder/).

Die Botschaft, die Professorin Dr. Chantal Munsch von der Uni Siegen mit ihrem Impulsvortrag vermittelte, war nicht leicht zu verdauen. „Engagement kann ausgrenzen – Hürden für Beteiligung im Engagement“. Wie kann das sein, habe vermutlich nicht nur ich mich gefragt. Wir grenzen doch niemanden aus. Im Gegenteil. Wir wollen möglichst viele Menschen für das bürgerschaftliche Engagement gewinnen. Doch Professorin Munsch zeigte auf, dass das nicht immer gelingt.

Am Beispiel einer Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Stadtteilfestes, die sie wissenschaftlich begleitet hatte, konnte sie nachweisen, dass benachteiligte Menschen (z.B. erwerbslos, geringe Bildung) vom bürgerschaftlichen Engagement ausgegrenzt werden. Das liegt aber nicht daran, dass sie passiv, desinteressiert oder faul wären. Entscheidend war die Art und Weise, wie die anderen (mit Engagement-Erfahrung) miteinander kommunizierten. Man hatte bewusst auch Erwerbslose zur Mitarbeit in die Arbeitsgruppe zu Vorbereitung des Stadtteilfestes eingeladen. Doch die fühlten sich erkennbar nicht wohl und kamen nicht wieder. Warum? „Zu viele große Ideen und Pläne machen kleine Leute still“, so Chantal Munsch. Engagement grenze aus, „aber wir sehen es nicht. Denn keiner will bewusst ausgrenzen.“

Auch ich musste erst mal schlucken angesichts dieser Erkenntnisse. Inzwischen sehe ich es nicht mehr ganz so dramatisch. Denn erstens lautete der Vortrag „Engagement kann ausgrenzen“, es muss also nicht immer und zwangsläufig passieren. Und zweitens stammen die Erkenntnisse aus einer ganz speziellen Form des Engagements: einer Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Stadteilfestest. Mein Fazit: Je mehr es um Pläne, Konzeptionen und Abläufe geht, um so größer ist die Gefahr, dass Menschen ausgegrenzt werden. Bei konkretem Engagement vor Ort für ein ganz konkretes Ziel ist die Gefahr eher gering.

Dennoch fand ich den Vortrag bemerkenswert. Denn an die Möglichkeit der Ausgrenzung hatte ich bislang nicht gedacht – und wie mir schien, viele andere Teilnehmer der Mitgliederversammlung auch nicht. Und das war der Referentin wichtig: zu erkennen, dass es Ausgrenzungsmechanismen gibt. Erst dann kann man überlegen, wie sich Ausgrenzung reduzieren oder vermeiden lässt. Indem man zum Beispiel folgende Fragen beantwortet: Wo soll man sich treffen? Wie wird eingeladen? Welche Kommunikations- und Moderationsformen sind die besten? Ist Offenheit und Transparenz immer und für alle gegeben? Sollte man unterschiedliche Gruppen bilden, in denen sich die Teilnehmer besser verstehen, und die Ergebnisse anschließend zusammenführen?

Ausgrenzung beim bürgerschaftlichen Engagement ist nicht schön. Aber man sollte auch überlegen, wie viel Energie man aufbringen will (oder kann), um sie aufzubrechen. „Partizipation ist nicht für alle Menschen selbstverständlich“, so Chantal Munsch. „Sie ist biografisch und lebensweltlich geprägt.“ Oder wie es ein Teilnehmer formulierte: „Freiwilliges Engagement ist kein Muss.“

Für ihr nächstes Forschungsprojekt sucht Professorin Dr. Chantal Munsch noch Menschen, die sich engagiert hatten und dieses Engagement inzwischen aufgegeben haben, und zwar auch den Bereichen Kirche, Sport und Umwelt. Wer sich als Interviewpartner zur Verfügung stellen möchte, schreibt eine Mail an chantal. munsch (at) uni-siegen.de.

Anschließend informierte Peter Wagenknecht von der Freiwilligenagentur oskar in Lichtenberg (https://oskar.berlin/) über das Projekt „Gut, dass Du da bist“. Dabei geht es um soziale Integration durch freiwilliges Engagement in Hohenschönhausen: www.efg-berlin.eu.

Annja Weinberger stellte das Projekt „Ehrenamt für Perspektive“ der Berliner Stadtmission vor: https://www.berliner-stadtmission.de/fluechtlinge/ehrenamt-fuer-perspektive. 140 Menschen mit Fluchterfahrung konnten bislang vermittelt werden.

Friedemann Walther, Referatsleiter Bürgerschaftliches Engagement und Demokratieförderung in der Berliner Senatskanzlei, gab bekannt, dass bei den Haushaltsberatungen für die Infrastrukturförderungen 1,2 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt werden sollen. Auch für einen Demokratietag soll Geld eingeplant werden. Außerdem soll es im kommenden Jahr fünf Foren geben zu den Themen, die der Zivilgesellschaft wichtig sind.

Zum Schluss wurden noch einige Termine bekanntgegeben: Die nächste Mitgliederversammlung des Landesnetzwerks Bürgerengagement findet am 13. November statt. Am 15. November gibt es den Berliner Stiftungstag (https://www.berlin.de/buergeraktiv/engagieren/stiftungen/stiftungstag/). Am 10 September gibt es wieder einen Runden Tisch Zivilgesellschaft. Und am 16. September startet der erste Vereinstag der Landesfreiwilligenagentur zum Thema “Kommunikation und Teilhabe – die tragenden Säulen in Vereinen”.

Mitmachen

LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Blogbeitrag von Helmut Herold
zuletzt überarbeitet 29.08.2019

 

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