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Ein Leben für die Opferhilfe

Veröffentlicht am 20.10.2020

von Friederike Prinz-Dannenberg

Sabine Hartwig ist seit 18 Jahren Landesvorsitzende des Weissen Rings in Berlin und kennt beide Seiten eines kriminellen Delikts: Als Kriminalbeamtin hat sie sich in der ersten Hälfte ihres Lebens beruflich mit den Täter:innen beschäftigt – inzwischen sind es die Opfer, die unter ihrem Schutz stehen.

Ziel des 1976 von Eduard Zimmermann gegründeten Vereins ist es, den Opfern von Straftaten rechtlich und sozial beizustehen, ihre Ansprüche zu vertreten und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln – aber auch Straftaten zu verhüten. Obwohl im Laufe der Jahrzehnte die Opfer und deren Hinterbliebene durch das Opferentschädigungsgesetz von 1976 mehr Rechte erhalten haben, befindet sich jedes Opfer nach einer Tat in einer existentiellen Bedrohung, in einer Lebenskrise, ist gestresst, hat Angst und weiß meist zu wenig über seine Rechte Bescheid.

Hier nun setzt der Weisse Ring an, der deutschlandweit 18 Landesvertretungen und 2900 ehrenamtlich Mitarbeitende umfasst: Er geht von der Unschuld (= weiß) des Opfers aus, gewährt ihm Solidarität (= Ring) und arbeitet gemeinsam mit ihm an einer Lösung. Die dem Opfer gewährte Unterstützung kann je nach Fall materielle Hilfe bedeuten, z.B. die finanzielle Soforthilfe bei Diebstahl oder Einbruch. Jedoch ist hier keine Erstattung des Gestohlenen gemeint, sondern eher eine Notüberbrückung.

Die immaterielle Hilfe wird von Expert:innen der Psychologie, Jura (psychologische Aufarbeitung von Traumata, Vertretung durch Opferanwälte) und Ehrenamtlichen geleistet. Letztere durchlaufen in Theorie und Praxis eine Schulung, indem sie verpflichtend Seminare auch in der eigenen Akademie besuchen und hospitieren. Aufgrund der vielfältigen Berufsfelder der Ehrenamtlichen (Medizin, Lehramt, Polizei, Studierende u.v.m.) ist auch die Sichtweise in den Besprechungen der Mitarbeiter:innen auf jeden einzelnen Fall komplex, vernetzend und stellt für das Opfer einen großen Erfahrungsschatz dar.

In Berlin gibt es 13 Außenstellen und 135 ehrenamtlich Mitarbeitende, die sich um die 850 Fälle pro Jahr kümmern. Die Erstinitiative geht immer vom Opfer aus, das sich an den Weissen Ring wendet. Aus dem anfänglichen Rachegedanken nach der Tat wird Trauer und es entsteht schließlich der Wunsch nach Gerechtigkeit. Der Außenstellenleiter vermittelt nach dem ersten Gespräch den Kontakt zu Ehrenamtlichen, die mit dem Opfer Hilfsmöglichkeiten entwickelt. Dies kann telefonisch, online und persönlich geschehen. Die Ehrenamtlichen wissen, wie unterschiedlich die Täter bei Stalking, häuslicher Gewalt, Kindesmissbrauch oder Cybermobbing vorgehen. Ihre Begleitung kann je nach Schwere des Falles bis zu mehreren Jahren dauern. Die Ehrenamtlichen hören zu, unterstützen die Opfer beim Gang durch die Behörden, begleiten sie zu Terminen und stärken ihr Selbstwertgefühl. Der Verein finanziert sich über die Mitgliedsbeiträge, über Spenden, Nachlässe und Geldbußen.

Ein Wunsch von Sabine Hartwig ist es, dass sie sich in der zweiten Hälfte ihres Lebens ehrenamtlich für die Kriminalitätsopfer engagieren und damit für sich persönlich einen Ausgleich zwischen Tätern und Opfern herstellen kann, und dass sich die Opfer unter dem Dach des Weissen Rings weiterhin gut aufgehoben fühlen!

Bei weiteren Fragen: www.weisser-ring.de, Tel.: 116 006, tgl. von 7 bis 22 Uhr, Landesverband Berlin, Tel.: 030/833 70 60.

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LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Blogbeitrag von Friederike Prinz-Dannenberg
zuletzt überarbeitet 20.10.2020

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