Nie war Zivilgesellschaft so wichtig! Elemente einer Berliner Engagementstrategie

von Spre­cher­rat

In ei­nem rund ein­ein­halb­jäh­ri­gen Ent­wick­lungs­pro­zess ha­ben die Mit­glie­der und In­ter­es­sierte des Lan­des­netz­werks Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin über Ele­mente für eine Ber­li­ner En­ga­ge­ment­stra­te­gie beraten.

Da­bei wa­ren die fol­gen­den fünf in­halt­li­chen Schwer­punkte das Er­geb­nis und wur­den am 21.08.2019 von der Mit­glie­der­ver­samm­lung ver­ab­schie­det. Das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin ist nun be­strebt, diese Ele­mente an den Ber­li­ner Se­nat und das Ab­ge­ord­ne­ten­haus heranzutragen.

1. Be­tei­li­gung ist En­ga­ge­ment – En­ga­ge­ment ist Beteiligung!

Wir for­dern da­her, dass in den Ein­rich­tun­gen und an den Or­ten der Be­tei­li­gung eine de­mo­kra­tie­för­der­li­che und fach­kom­pe­tente Un­ter­stüt­zung er­mög­licht wer­den soll, die es vor Ort er­laubt, dass Be­trof­fene oder En­ga­gierte zu Be­tei­lig­ten wer­den. Als Vor­bild wird auf die Lan­des­stelle für An­ti­dis­kri­mi­nie­rung Ber­lin ver­wie­sen, wo Se­mi­nare für Multiplikator*innen und Fach­in­ter­es­sierte, Pro­zess­be­tei­ligte etc. ab­frag­bar sind.

Wir for­dern die Ein­rich­tung ei­ner Lan­des­stelle für Be­tei­li­gungs­for­men und ‑stra­te­gien Ber­lin. Erst da­mit kann das An­lie­gen der jet­zi­gen Ko­ali­tion zur Um­set­zung der Leit­li­nien Par­ti­zi­pa­tion in al­len ge­samt­städ­ti­schen Dis­kurs­ebe­nen um­ge­setzt und greif­bar wer­den, und alle Men­schen in der Stadt­ge­sell­schaft – ganz be­son­ders junge – kön­nen bes­ser ein­be­zo­gen und ge­wür­digt werden.

Im Sinne von Bil­dung für De­mo­kra­tie in al­len Tei­len der Stadt­ge­sell­schaft wird ein De­mo­kra­tie-Tag wie in Rhein­land-Pfalz in Zu­sam­men­ar­beit mit der Ber­li­ner Lan­des­zen­tale für Po­li­ti­sche Bil­dung so­wie dem Bünd­nis Bil­dung für eine de­mo­kra­ti­sche Ge­sell­schaft vorgeschlagen.

2. Frei­wil­li­gen­ma­nage­ment ist in­zwi­schen eine mul­ti­dis­zi­pli­näre Form des Chan­ge­ma­nage­ments und der Lei­tung und Füh­rung von Engagierten.

Die in die­sem Be­rufs­feld Tä­ti­gen brau­chen eine an­ge­mes­sene An­er­ken­nung ih­res An­for­de­rungs- und Leis­tungs­ni­veaus, aus­ge­drückt in ei­ner hö­he­ren ta­rif­li­chen Zu­ord­nung, das ent­spricht TV 11. Es ist die Auf­gabe der Fach­po­li­tik, auf die­sen Zu­wachs an Kom­pe­tenz und Ver­ant­wor­tung zu re­agie­ren. Es gilt, die not­we­nige Neu­be­wer­tung des  Frei­wil­li­gen­ma­nage­ments durch Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen (Ein­füh­rung von Ver­an­stal­tungs­bud­gets, Stabs­stel­len auf stra­te­gi­scher Eben, ta­rif­li­che An­he­bung) zu ermöglichen.

3. Frei­wil­li­genagen­tu­ren sind die Kno­ten­punkte im Netz des Engagements

Sie er­war­ten da­her vor al­lem po­li­ti­sche Ver­läss­lich­keit, d.h. eine dau­er­hafte und sta­bi­li­sie­rende För­de­rung durch das Land Ber­lin. Frei­wil­li­genagen­tu­ren be­nö­ti­gen Stan­dards als Form der Über­ein­stim­mung ei­ner­seits und <a name=“flexibilitaet“lo­kal­räum­li­che Fle­xi­bi­li­tät ih­rer Auf­ga­ben vor Ort andererseits.

Als Ein­rich­tun­gen müs­sen sie viel­fäl­ti­gen Aus­tausch mit al­len an­de­ren Ak­teu­ren prak­ti­zie­ren kön­nen (über­be­zirk­lich, über­ver­band­lich), aber auch Ka­pa­zi­tä­ten und En­er­gien für eine über­be­zirk­li­che Zu­sam­men­ar­beit er­hal­ten, also nicht nur für die lo­kale Ar­beit bud­ge­tiert sein.

4. In­ter­kul­tu­relle Öff­nung (kurz: IKÖ)

IKÖ ist für die Öf­fent­li­che Ver­wal­tung eine zwin­gende Not­wen­dig­keit, wenn sie die ge­sell­schaft­li­che Viel­falt un­se­rer Stadt spie­geln soll. Auch in den Or­ga­ni­sa­tio­nen der Zi­vil­ge­sell­schaft wird eine di­ver­si­täts­of­fene Hal­tung an­ge­strebt. Mit IKÖ kön­nen so­wohl um­fas­sende Par­ti­zi­pa­ti­ons- und In­te­gra­ti­ons­pro­zesse ge­lin­gen als auch die Viel­falt in der En­ga­ge­ment­land­schaft ge­för­dert wer­den. Di­ver­si­tät soll als so­zia­les Ka­pi­tal ver­stan­den und ein­ge­setzt wer­den. Der Se­nat von Ber­lin wird auf­ge­for­dert, die von ihm ge­för­der­ten Ein­rich­tun­gen mit ei­nem Qua­li­täts­sie­gel (Selbst­ver­pflich­tung), Qua­li­fi­zie­rungs- und Be­ra­tungs­an­ge­bo­ten in Pro­zesse der IKÖ einzubinden.

Es gilt die För­de­rung der Teil­habe von Migrant*innenorganisationen als Brü­cken in ih­ren Com­mu­nities zu un­ter­stüt­zen so­wie die In­ter­es­sens­ver­tre­tun­gen von Migrant*innen an Frei­wil­li­gen­diens­ten aus­zu­bauen. Die Fi­nan­zie­rung ei­nes Ser­vice­zen­trums wird be­nö­tigt – ana­log der BFD-Pro­jekte des Lan­des Ber­lin 2017–2019 – mit flan­kie­ren­den Be­ra­tun­gen und Dienstleistungen.

Durch die­sen Pro­zess muss der Be­griff der Migrant*innen und Ge­flüch­te­ten im Sinne des AGG in den Hin­ter­grund tre­ten kön­nen, um ihre ak­tive Teil­habe oder ihr En­ga­ge­ment für die Stadt­ge­sell­schaft in den Vor­der­grund zu stellen.

Al­ters­ge­rech­tig­keit und Gen­der­ge­rech­tig­keit sol­len im Sinne der Gleich­stel­lung rea­li­siert und um­ge­setzt, und die Ver­ein­bar­keit von En­ga­ge­ment und Be­rufs­tä­tig­keit im Sinne neuer Ar­beits­zeit­mo­delle und Frei­stel­lung durch die Po­li­tik vor­an­ge­trie­ben werden.

5. In­fra­struk­tur­för­de­rung ist da not­wen­dig, wo Netz­werke der Zi­vil­ge­sell­schaft die wich­tige Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den viel­fäl­ti­gen Ak­teu­ren und Hand­lungs­ebe­nen in der Stadt mo­de­rie­ren.

Viele neue und über­grei­fende Ent­wick­lun­gen und Syn­er­gien wer­den so erst er­mög­licht. Das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin er­füllt diese Funk­tio­nen be­reits seit 2005 aus eh­ren­amt­li­cher Kraft und sie wer­den im­mer be­deut­sa­mer für den so­zia­len Zu­sam­men­halt und die Zu­kunfts­fä­hig­keit un­se­rer Stadt­ge­sell­schaft. Es ist höchste Zeit, seine Ar­beit durch fi­nan­zi­elle För­de­rung an­zu­er­ken­nen und die nur z.T. be­stehende  Netz­werk­ent­wick­lung durch die Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin auf eine Voll­zeit­stelle auszubauen.

6. Das bür­ger­schaft­li­che En­ga­ge­ment in Ber­lin sollte we­sent­lich mehr Prä­senz in der Ber­li­ner Öf­fent­lich­keit erhalten.

Wir for­dern mehr Sicht­bar­keit der ge­sell­schaft­li­chen Viel­falt, des Mei­nungs­plu­ra­lis­mus und der Mög­lich­keit zur de­mo­kra­ti­schen Teil­habe durch mehr di­gi­tale Ver­net­zung und die kom­pe­tente Un­ter­stüt­zung der­sel­ben. Ein bar­rie­re­freier und in­klu­si­ver „Ber­li­ner Di­gi­tal­pakt“ wäre da­her un­sere For­de­rung für die Ver­net­zung der Bür­ger­ge­sell­schaft in Berlin.

Ein Di­gi­tal­pakt sollte die zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen mit Res­sour­cen aus­stat­ten, um sich di­gi­tal zu ver­net­zen, um diese In­fra­struk­tu­ren zu ent­wi­ckeln, fach­lich kom­pe­tent zu füh­ren und für die Öf­fent­lich­keit als In­for­ma­ti­ons-und Teil­habe-In­stru­mente zu pu­bli­zie­ren. Da­bei sind di­gi­tale Bar­rie­ren zu ver­mei­den bzw. in­klu­sive Web-Auf­tritte zu ermöglichen.

Down­load: Ele­mente ei­ner Ber­li­ner En­ga­ge­ment­stra­te­gie (pdf)

LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Blog­bei­trag von SR
zu­letzt über­ar­bei­tet 29.09.2019

 

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