Die Berliner Charta
zum Bürgerschaftlichen Engagement

Ein Ent­wick­lungs­im­puls für zi­vil­ge­sell­schaft­li­che
Struk­tu­ren auf Ber­li­ner Lan­des­ebene (2011)

Von Ca­rola Schaaf-Derichs

1. Mit der Pro­kla­ma­tion des In­ter­na­tio­na­len Jah­res der Frei­wil­li­gen durch die Ver­ei­nig­ten Na­tio­nen im Jahr 2001 wurde der Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft, die Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lins, vom Se­nat von Ber­lin mit der Ko­or­di­na­tion, der Ent­wick­lung in­halt­li­cher Im­pulse und der ge­samt­städ­ti­schen Netz­werk­ar­beit an­läss­lich des In­ter­na­tio­na­len Jah­res im Land Ber­lin be­auf­tragt. Die Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin be­stand zu dem Zeit­punkt be­reits drei­zehn Jahre und war Im­puls­ge­ber für vie­ler­lei Ent­wick­lun­gen und Struk­tu­ren im Feld Bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ments wie die LAG Frei­wil­li­genagen­tu­ren Ber­lin oder auf Bun­des­ebene für die BAG Frei­wil­li­genagen­tu­ren, bagfa e.V..

Viele Struk­tu­ren der so­ge­nann­ten „neuen Eh­ren­amt­lich­keit“ wa­ren in ei­nem dy­na­mi­schen Pro­zess der Feld­ge­stal­tung, viele Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ak­teure setz­ten da­her große Hoff­nun­gen auf die Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten im In­ter­na­tio­na­len Jahr der Frei­wil­li­gen. Ber­lin war zu der Zeit Aus­gangs­punkt für viele neue Netz­werke und In­itia­ti­ven im Be­reich der „jun­gen Al­ten“ und bot ein reich­hal­ti­ges Spek­trum von er­fah­re­nen Akteur/innen. Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft be­rief im Früh­jahr 2001 den ers­ten Ar­beits­kreis zur Ko­or­di­nie­rung des In­ter­na­tio­na­len Jah­res der Frei­wil­li­gen ein und er­ar­bei­tete mit den über fünf­zig An­we­sen­den die Grund­züge für den „Mas­ter­plan“ ge­mein­sa­men Han­delns und an­ge­streb­ter Ent­wick­lun­gen im In­ter­na­tio­na­len Jahr der Freiwilligen.

Eine erste Runde er­gab, dass viele der er­fah­re­nen Pro­jekte und In­itia­ti­ven nicht etwa an ei­nem Man­gel von Ideen oder Ak­tio­nen lit­ten, son­dern an ei­nem De­fi­zit in der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung, ins­be­son­dere durch die Po­li­tik. In der Folge kam es zu ei­ner leb­haf­ten De­batte über man­gel­haft ab­ge­si­cherte Rah­men­be­din­gun­gen für das Frei­wil­lige En­ga­ge­ment so­wie über er­fah­rene An­er­ken­nung für Ge­leis­te­tes von „of­fi­zi­el­ler Seite“. In­ge­borg Sel­dte, Grün­de­rin der Zeit­Zeu­gen­Börse und der Se­nio­ren­ver­tre­tun­gen in Ber­lin brachte es schließ­lich auf den Punkt: „Wir for­dern mehr Po­li­tik für das Frei­wil­lige En­ga­ge­ment!“ Aus heu­ti­ger Sicht war dies die Vor­weg­nahme der ak­tu­ell de­bat­tier­ten En­ga­ge­ment­po­li­tik, von der Ba­sis der En­ga­gier­ten selbst for­mu­liert und mit Nach­druck gefordert.

Forderung nach Engagementpolitik 2001

Für Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft hieß dies, ei­nen Ver­net­zungs- und Mo­de­ra­ti­ons­pro­zess zu in­iti­ie­ren, der diese For­de­run­gen ernst nahm und ei­nen Dia­log zwi­schen Bürger/innen und Politiker/innen ins Zen­trum sei­ner Ar­beit stellte. Zwei In­itia­ti­ven wur­den von Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft in die­ser Be­auf­tra­gung durch die Bür­ger­schaft­lich Ak­ti­ven in Gang gebracht:

# Die Be­grün­dung ei­nes „Ar­beits­krei­ses Frei­wil­li­ges En­ga­ge­ment in Ber­lin“, der sich um die fach­po­li­ti­sche Ebene der Rah­men­be­din­gun­gen und der fach­li­chen Pro­fil­bil­dung auf Wunsch der Ak­ti­ven dre­hen sollte.

# Die In­iti­ie­rung ei­nes neuen For­ma­tes für den Dia­log und Dis­kurs zwi­schen den re­le­van­ten Sphä­ren der Bür­ger­schaft und der der Lan­des­po­li­tik. Dies war die Ge­burts­stunde der „Run­den Ti­sche zur För­de­rung des Frei­wil­li­gen En­ga­ge­ments in Ber­lin“. Zwölf Jahre nach den ge­sell­schafts­po­li­ti­schen Dis­kur­sen im Rah­men der Wie­der­ver­ei­ni­gung in Deutsch­land, bei de­nen das In­stru­ment „Runde Ti­sche“ in­ten­siv ein­ge­setzt wor­den war und in An­leh­nung an die Run­den Ti­sche der Lo­ka­len Agenda-De­batte nahm Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft die­ses In­stru­ment auf, um fol­gende de­mo­kra­ti­schen Werte und me­tho­di­schen Aspekte da­mit zu verankern:

  • Bür­ger/in­nen-Po­li­ti­ker/in­nen-Dia­log auf Au­gen­höhe, d.h. un­ter dem Edikt gleich­wer­ti­ger Po­si­tio­nen. Dies be­deu­tete in der Folge, je­der Art von an­de­ren, ab­wei­chen­den oder kon­trä­ren Mei­nung, Er­fah­rungs­wie­der­gabe oder Po­si­tio­nie­rung mit To­le­ranz und Re­spekt ge­gen­über zu tre­ten. Mehr noch: die an­dere Seite durch ei­nen „Per­spek­ti­ven­wech­sel“ ken­nen zu ler­nen und bes­ser zu verstehen.
  • Ar­beit an ei­ner ge­mein­sam ver­ab­re­de­ten in­halt­li­chen Agenda zu je­weils ak­tu­el­len Schwer­punkt- oder Brenn­punkt­the­men im Feld und aus der Pra­xis Bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ments in Ber­lin, wenn nö­tig auch im Rück­griff auf Bun­des­ent­wick­lun­gen und Gesetze.
  • Die Ver­gabe ei­ner eh­ren­amt­li­chen „Pa­ten­schaft“ an je eine/n Ab­ge­ord­ne­ten aus dem Par­la­ment von Ber­lin, der/die so­wohl sich des The­mas mit ei­ner in­halt­li­chen Stel­lung­nahme an­nimmt und diese vor­trägt als auch der Ver­samm­lung des Run­den Ti­sches die Tore des Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses von Ber­lin öff­net. Bei­des war ge­plant und wurde Aus­druck der An­er­ken­nung und Auf­wer­tung der Ak­teure aus der Pra­xis. Die schein­bare Tren­nung der Sphä­ren der Po­li­tik und der der bür­ger­ge­sell­schaft­li­chen Pra­xis wa­ren da­durch auf­ge­ho­ben. Praktiker/innen ka­men so­wohl of­fi­zi­ell am Run­den Tisch selbst, als auch in den in­for­mel­len Se­quen­zen da­vor und da­nach mit Politiker/innen ins Ge­spräch und auch die Politiker/innen konn­ten beide Ebe­nen da­für nutzen.
  • Die Rolle des Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft lag bei der des In­itia­tors, des Mo­de­ra­tors und der des the­ma­ti­schen Er­geb­nis­an­walts. Ent­schei­dend für die Wahr­neh­mung die­ser Rolle war (und ist), dass die Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin keine An­walt­schaft für Ei­gen­in­ter­es­sen aus­übt, son­dern im Sinne der oben ge­schil­der­ten ur­sprüng­li­chen For­de­rung nach ei­ner für die Ak­teure aus der Pra­xis ge­lin­gen­den en­ga­ge­ment­po­li­ti­schen Dis­kurs­ebene tä­tig wird.

Gleich die ers­ten Run­den Ti­sche grif­fen die ver­mu­te­ten Spreng­satz-The­men zu den man­geln­den Rah­men­be­din­gun­gen als auch zur ver­bes­ser­ten Be­tei­li­gung von Se­nio­ren an den Ent­wick­lun­gen in der Stadt auf. Als Er­kennt­nis zum Vor­ge­hen schälte sich auf der kom­mu­ni­ka­ti­ven Meta-Ebene ober­halb der The­men schnell her­aus, dass die Ver­sach­li­chung der ver­meint­li­chen Brenn­punkte und der Dis­kurs mit ei­ner sich ein­las­sen­den Po­li­tik eine mög­li­che po­le­mi­sche Schärfe o.ä. un­nö­tig, sinn­los oder er­kenn­bar macht und in der Re­gel da­mit ver­hin­dert. Grund­lage war und ist der ge­gen­sei­tige Re­spekt für die Dia­log­part­ner und ihre Bei­träge und die­ses Prin­zip hatte macht­volle po­si­tive Wir­kung auf die Dia­log­form und den sich ent­wi­ckeln­den de­mo­kra­ti­schen Kommunikationsstil.

Arbeitskreis Freiwilliges Engagement in Berlin & Runde Tische zur Förderung des Freiwilligen Engagements in Berlin

Das Memorandum für Freiwilliges Engagement 2003

Die Runden Tische als Generierungsmotor für die Charta

Die Zeichnung der Charta 2004

Grundlage zur Gründung des “aktiv in Berlin” Landesnetzwerk Bürgerengagement 2005


LANDESNETZWERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Ent­wick­lungs­im­puls Ber­li­ner Charta
zu­erst er­schie­nen im eNews­let­ter wegweiser-buergergesellschaft.de, 22.07.2011
zu­letzt ak­tua­li­siert 21.02.2019

 

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